Architekturfotografie ist die Visualisierung der gebauten Umwelt. Im engeren Sinn wird meist nur die Abbildung von Gebäuden mit dem Begriff Architekturfotografie assoziiert. Architekten gestalten aber neben Häusern auch eine Vielzahl von anderen Bauwerken und baulichen Anlagen. Brücken, Denkmäler, Designobjekte, Freizeitanlagen, Funktionsbauten, Industrieanlagen, Kunstinstallationen, Landschaftsparks, Transporteinrichtungen, Verkehrswege, Schutzbauten, etc. Als fotografische Raumdarstellung dient Architekturfotografie der optischen Raumwahrnehmung unabhängig von Ort und Zeit. Die folgende Übersicht erklärt die Grundlagen und Funktionen der Architekturfotografie, erläutert die Ausrüstung eines Architekturfotografen und beinhaltet Tipps & Tricks für das Fotografieren von Architektur.
Das Fotografieren von Architektur kann folgende Funktionen erfüllen:
Jedes Foto transportiert Informationen. Architekturfotografien sind Bestandsaufnahmen der gebauten Umwelt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Stil, Form, Struktur und Details der Architektur werden mittels Fotografie festgehalten. Mit Architekturfotografien werden Bauwerke unabhängig von Standort und Zeit erfahrbar und vergleichbar. Mehrere Fotografien desselben Objekts zu unterschiedlichen Zeiten ermöglichen historische Vergleiche und bezeugen Veränderungen.
Architekturfotografien dokumentieren Bauwerke zu einem Zeitpunkt, halten den aktuellen Zustand und die jeweilige Nutzung fest. Die Dokumentationsfunktion reicht dabei von einfachen Bestandsaufnahmen bis zu wissenschaftlichen und rechtlichen Baudokumentationen für Genehmigungen, Gutachten, Nachweise, Untersuchungen, etc.
Architekten präsentieren mit Fotografien die Ergebnisse ihre Arbeit. In Online- und Offline-Medien sind Fotografien das wichtigste Mittel der Präsentation und vermitteln ein Image von dem jeweiligen Architekten und eine Vorstellung von seinen Bauten. Dabei transportieren auch mittelmäßige Bilder eine bestimmte Botschaft. Insofern ist es erstaunlich, wie viele lieblos gestaltete Webseiten von Architekten mit druchschnittlichen oder wenigen Fotografien der fertigen Bauten existieren.
Architekturfotografie kann auch Kunst sein. Ziel und Inhalt der künstlerischen Fotografie ist eine spezielle Bildaussage des Künstlers in einem bestimmten Kontext. Die neutrale und realitätsnahe Abbildung der Architektur tritt dabei oftmals mehr oder weniger in den Hintergrund. In der künstlerischen Architekturfotografie werden eine Vielzahl von speziellen Techniken und Verfahren (einschließlich digitaler Nachbearbeitung) für die Schaffung besonderer Bildwelten verwendet.
Fotografien können auch im Rahmen der Architekturkritik Verwendung finden. "Architekturkritik ist eine Methode der Auseinandersetzung. Unter dem Aspekt von 'Unterscheiden und Infragestellen' wird die gebaute Umwelt beurteilt." [Wikipedia] In diesem Zusammenhang dienen Architekturfotos der Illustration der Kommentare und Wertungen.
Jede Abbildung eines Bauwerks kann als Architekturfotografie bezeichnet werden. Im Gegensatz zu einem Schnappschuss oder einem einfachen Foto mit dem Smartphone versucht anspruchsvolle Architekturfotografie die Charakteristika und Besonderheiten der gebauten Umwelt in ausdrucksstarken Bildern zu visualisieren. Professionelle Architekturfotos weisen i.d.R. keine stürzenden Linien auf und entstehen durch eine bewusste Wahl und präzise Steuerung von Aufnahmestandpunkt, Bildausschnitt, Perspektive, Details und Hintergrund. Die Fotografien visualisieren qualitativ hochwertig Architektur, damit sie herausstechen und wahrgenommen werden. Im Optimum heben sich diese Fotografien von der alltäglichen Bilderflut ab und werden länger als 1 oder 2 Sekunden betrachtet. Architekturfotografie jenseits von Instagram & Co.
Klassische Architekturfotografie ist die sachliche, natürliche Abbildung von Bauwerken ohne stürzende Linien und mit geringer perspektivischer Verzeichnung. Im Mittelpunkt der Fotografie steht die realistische Abbildung der Arbeit des Architekten. Die künstlerische Architekturfotografie formt und steuert durch spezielle Techniken, Verfahren und Gestaltungsmittel die Bildaussage jenseits der reinen Abbildungsfunktion. Im Mittelpunkt der Fotografie stehen der Ausdruck und die Intention des Künstlers. In der modernen Fotografie ist der Übergang zwischen beiden Genres oft fließend.
In der Fotografie werden nicht parallel verlaufende senkrechte (vertikale) Linien als stürzende Linien bezeichnet. Stürzende Linien entstehen, wenn die Aufnahmeebene (Bildsensor oder Film) nicht parallel zu den Vertikalen des Motivs ausgerichtet ist. In der Regel verlaufen die Senkrechten bei einem Gebäude parallel. Um ein Bauwerk mit einer Kamera mit einem Standardobjektiv aufnehmen zu können und vollständig abzubilden, wird oft die Kamera leicht angewinkelt. In dem Foto verjüngen sich dann die senkrechten Linien nach oben. (Wird die Kamera nach unten geneigt entstehen ebenfalls stürzende Linien). Weil wir aber aus Erfahrung wissen, dass sich das tatsächliche Gebäude nicht verjüngt, wirken Bilder mit stürzenden Linien oft unnatürlich und nicht ästhetisch. Besonders (ungewollte) geringfügige Abweichungen werden als störend wahrgenommen und können schnell eine Fotografie disqualifizieren. Aus diesem Grund werden die meisten Architekturfotografien ohne stürzende Linien aufgenommen. Dafür muss man entweder den Aufnahmestandpunkt erhöhen oder eine Fotoausrüstung mit Shiftmechanismus, welche die Verschiebung der Objektivebene zur Aufnahmeebene ermöglicht, verwenden. Alternativ können stürzenden Linien mit einem Softwareprogramm nachträglich korrigiert werden. Die besten Ergebnisse erzielt man mit der Verschiebung der Objektivebene. Damit kann man auch sehr gut das Verhältnis von Vorder- zu Hintergrund und die Höhe der Horizontlinie steuern.
Ob Einem eine Fotografie in Farbe oder in Schwarz-Weiß besser gefällt, ist eine subjektive Beurteilung. Ich finde ein konkretes Motiv sollte nur in Farbe fotografiert werden, wenn das Farbspektrum die gewünschte Bildaussage unterstreicht oder die beabsichtigte Verwendung eine Farbfotografie explizit erfordert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Farbigkeit von der inhaltlichen Aussage zu stark ablenkt. Bei Architekturfotografien in Schwarz-Weiß werden oft geometrische Formen, Detailstrukturen und Materialeigenschaften besonders hervorgehoben.
Grundsätzlich kann man mit jeder fotografischen Apparatur Architektur fotografieren. Vom Smartphone bis zur technischen Fachkamera. Ein interessantes Foto macht der Fotograf und nicht die Kamera. Folgende Aspekte sind in der Architekturfotografie wichtig und sollten bei der Wahl der Ausrüstung berücksichtigt werden:
Für die Steuerung des Bildausschnitts (z.B. Verhältnis von Vorder- zu Hintergrund) und die Vermeidung stürzender Linien und perspektivischer Verzeichnung benötigt man eine Kameraausrüstung, welche die Verstellung der Objektivebene zur Aufnahmeebene ermöglicht.
Eine Kleinbildvollformatkamera (mit oder ohne Spiegel) mit Shift-Objektiven ermöglicht gute Architekturfotografien und ist eine Ausrüstung mit einem sehr guten Preis-/Leistungsverhältnis. Shift-Objektive gibt es von einer Reihe von Herstellern oder man kann entsprechende Adapter mit Objektiven (mit genügend großen Bildkreisen) nutzen. Die meisten Architekturfotografien profitieren von einer durchgehenden Bildschärfe über das gesamte Bildmotiv (hohe Schärfentiefe) und einem hohen Detailauflösungsvermögen. Eine Kamera mit einer Auflösung von ca. 50 Megapixeln verbunden mit hochwertigen Objektiven reicht für 90 % aller Anwendungssituationen in der Architekturfotografie aus.
Für eine weitere Steigerung der Bildqualität oder des Auflösungsvermögens sollte man eine Mittelformatkamera mit einem größeren Bildsensor verwenden. Mittelformatkameras sind Kameras mit einem Aufnahmeformat (Bildsensor oder Film) zwischen Kleinbildformat und Großformat. Das Kleinbildformat ist 36 mm x 24 mm. Digitale Mittelformatkameras haben ein Aufnahmeformat von 43,8 mm × 32,9 mm bis 53,7 mm × 40,4 mm. Analoge Mittelformatkameras gehen bis 70 mm x 60 mm. Vorteile von Mittelformatkameras sind eine höhere Auflösung, ein hoher Dynamikumfang, eine größere Farbtiefe und teilweise ein besseres Rauschverhalten. Für diese Kameras gibt es ebenfalls Objektive mit Shift-Mechanismus. Die flexibelsten Verstellmöglichkeiten bieten sogenannte technische Kameras oder Fachkameras. Mit diesen Kameras kann man i.d.R. auch perspektivische Verzeichnungen vollständig korrigieren. Als Aufnahmemedien können Kameras oder Digitalrückteile im Mittelformat an diese Systeme angeschlossen werden.
Aus Qualitätsgründen und Praktikabilität werden analoge Aufnahmeverfahren nur noch im Bereich der künstlerischen Fotografie verwendet.
Neben einer Kamera mit Objektiven sollte man auf jeden Fall auch ein Stativ nutzen und die Kamera berührungslos (fern-)auslösen. Aufnahmefilter können im Einzelfall eine sinnvolle Ergänzung der Ausrüstung sein.
Besonders wichtig für Architekturfotografien ist die Steuerung der Perspektive (stürzende Linien, Verzeichnung). Entweder man nutzt eine Ausrüstung mit entsprechenden Verstellmöglichkeiten an der Kamera (Fachkamera bzw. optische Bank) oder Objektive mit Shift-Mechanismus (Shift-Objektiv oder Adapter-Lösung). Neben den Verstellmöglichkeiten sollten folgende Punkte bei der Wahl der passenden Objektive berücksichtigt werden:
Mit der Wahl der Brennweite (Abstand zwischen Linse und Fokus in mm) in Abhängigkeit vom Aufnahmeformat wird in erster Linie der Bildwinkel bzw. Bildausschnitt bestimmt. Um von einem Architekturmotiv möglichst viel abzubilden, wählen Architekturfotografen oftmals eine kleine Brennweite. Mit Weitwinkelobjektiven können auch große Gebäude oder beengte Innenräume vollständig abgebildet werden. Allerdings muss man beachten, dass bei Superweitwinkelobjektiven eine verzerrte Bildperspektive entsteht. Bei Verwendung einer Brennweite von weniger als 20 mm (bezogen auf das Kleinbildvollformat von 36 mm) resultieren Bilder, welche nicht dem menschlichen Seheindruck entsprechen. In Abhängigkeit vom einzelnen Motiv entstehen auch mit Superweitwinkelobjektiven interessante Fotos.
Konstruktionsbedingt weist praktisch jedes Objektiv mehr oder weniger optische Abbildungsfehler auf. Aufgrund unvollkommener Abbildungsleistungen der einzelnen Objektivlinsen kommt es physikalisch betrachtet zu Abweichungen vom vorgesehenen Strahlengang. Als Abbildungsfehler können auftreten: Aberration, Bildfeldwölbung, Gaußfehler, Koma, Reflexion, Verzeichnung und Vignettierung. Bei sehr hochwertigen Objektiven sind die Abbildungsfehler oft minimiert. Außerdem lassen sich die Fehler in der digitalen Nachbearbeitung korrigieren. Für Architekturfotografien können Bildfeldwölbungen und Verzeichnungen problematisch sein, wenn kissen- oder tonnenförmige Wölbungen des Motivs entstehen und bei geradliniger Architektur als störend empfunden werden. Außerdem ist die nachträgliche Korrektur von kissen- oder tonnenförmiger Verzeichnungen kompliziert und aufwändig.
Architekturfotografien sind meist über das gesamte Motiv scharf aufgenommen (hohe Schärfentiefe) und lassen viele Details erkennen. Hierfür ist ein hohes Auflösungsvermögen von Kamera und Objektive notwendig. Physikalisch wird in der Optik die Unterscheidbarkeit feiner Strukturen als Auflösungsvermögen bezeichnet. Die Auflösung eines Objektivs wird in Linienpaaren pro Millimeter gemessen und gibt an, wie viele Linien auf einem Millimeter getrennt voneinander wahrgenommen werden können. Die Objektivhersteller geben diese Werte an und in Objektivtests wird die tatsächliche Anzahl der Linienpaare in Abhängigkeit von Blende und Motivpunkt (Mitte oder Rand) gemessen und verglichen. Für die Auswahl bestimmter Objektive sollte man das Auflösungsvermögen und die wahrgenommene Bildschärfe verschiedener Objektive an der eigenen Kamera testen.
Das wichtigste Hilfsmittel für bessere Architekturfotografien ist ein Stativ. Richten Sie ihre Kamera mit einem Stativ und einer Wasserwaage (digital in der Kamera oder analog auf/an der Kamera) perfekt auf ihr Motiv aus. Zum einen können Sie dadurch stürzende Linien vermeiden und die perspektivische Verzeichnung bewusst steuern. Zum anderen können Sie den Bildausschnitt im Detail kontrollieren und insbesondere die Darstellungen an den Bildrändern genau steuern.
Bei vielen durchschnittlichen Fotografien fehlen oft eine eindeutige Bildaussage und vernünftige Bildkomposition, die Motive sind überladen und unnötige Details lenken den Betrachter vom Eigentlichen ab. Wählen Sie Ihren Bildausschnitt bewusst, verzichten Sie auf unwesentliche Elemente. Streben Sie eine klare Bildkomposition an. Der berühmte Leitsatz des Architekten Ludwig Mies van der Rohe „Weniger ist mehr“ trifft auch auf die Architekturfotografie zu.
Architekturfotografien im Freien werden stark durch das Wetter beeinflusst. Beziehen Sie bei ihrer Planung für ein Shooting neben der optimalen Tageszeit auch die Wettervoraussagen ein. Nicht jedes Bauwerk lässt sich bei jedem Wetter interessant fotografieren. Oft gelingen aufgrund des Wetters keine vernünftigen Fotos. Bedeckter Himmel ermöglicht neutrale, sachliche Aufnahmen mit hoher Detailschärfe. Bei Sonnenschein sollten Sie die Schattenwürfe in ihrem Bildausschnitt als Gestaltungsmittel bewusst steuern oder explizit vermeiden. Bewölkter Himmel mit Aufheiterungen oder Schleierwolken ermöglichen selten interessante Architekturfotografien.
Die Genehmigung für die Erstellung und Verbreitung von Architekturfotografien ist oftmals ein Problem. Grundsätzlich muss man als Architekturfotograf immer Urheber- und Nutzungsrechte an den abgebildeten Architekturobjekten beachten. Leider untersagen viele Bauherren und Eigentümer das Fotografieren generell. Selbst für künstlerische Projekte (ohne breite Veröffentlichung im Internet und Social Media) ist es oft schwierig, eine Genehmigung zu erhalten.
Nach § 59 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ist es zulässig, „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“ Aufgrund dieser Panoramafreiheit darf man in Deutschland Bauwerke aus dem öffentlichen Raum (öffentlich zugängliche Fahrbahn, Gehweg, Radweg, Platz) ohne spezielle Hilfsmittel (Hubschrauber, Drohnen) aufnehmen. Aufnahmen von Privatwegen, aus Innenhöfen oder aus Nachbarhäusern sind von der gesetzlichen Erlaubnis nicht erfasst. In vielen anderen Ländern gibt es eine vergleichbare Panoramafreiheit nicht.
Wenn ein Bauwerk eine eigenschöpferische Leistung darstellt, hat ein Architekt i.d.R. ein Urheberrecht an dem von ihm entworfenen Bauwerk. Der Architekt hat als Urheber gemäß Urheberrechtsgesetz ein Recht auf Zugang zu seinem Werk, um zu Präsentationszwecken Fotografien (Vervielfältigungen) herstellen zu können. Selbstverständlich kann er auch einen Dritten, z.B. einen Architekturfotografen, beauftragen. Allerdings findet der Anspruch auf Zugang dort seine Grenze, wo berechtigte Interessen des Eigentümers/Besitzers überwiegen, so etwa die persönliche Privatsphäre. So muss der Zugang mit angemessenem Vorlauf angekündigt werden und der Architekt bzw. Fotograf sollte darauf verzichten, bei einer Veröffentlichung die Adresse des Bauwerks anzugeben.